Autorin
Ein Dorf zwischen Wald- und Weinviertel. Agathe, die ihr ganzes Leben in diesem Ort verbrachte, stirbt hochbetagt. Die Menschen aus dem Dorf, Zugereiste und Weggegangene ziehen Resümee.
Tamari erinnert sich anlässlich der Verhaftung von Felicièn Kabuga an ihre Reise in das vom Genozid traumatisierte Land im Frühjahr 1995, ein Jahr nach Beginn des Völkermords.
Rittersporn
Der Garten meiner Großmutter war voll davon, in lila und blau. Dahinter die Weingärten und die alten Wege dazwischen, mit Schiefergestein abgegrenzt. Lange Sommer mit Blick auf die Donau und der Nähe der Großmutter. Das alles gibt es nicht mehr.
Marie ist erstaunt, dass ihr dieses Bild kommt. Diese Gegend, der massive Geruch der Wachau, die Hitze. Sie vermisst die Gewitter, die Blitze, die in die Donau eingeschlagen sind. Sonst vermisst sie nichts davon. Gewitter ist für sie etwas Unglaubliches geblieben. Die Energie, der Donner, der die lautstarken Streitigkeiten übertönte, das aufziehende Dunkel und die plötzliche Helle. Nirgendwo hat sie das so gesehen, wie dort auf der Terrasse des alten Hauses unter dem roten Tor. Ihre Großmutter ist seit über 40 Jahren tot. Das Haus im Geschwisterstreit verloren gegangen, die Familie verstreut und im besten Fall höflich zueinander. Das alles stört Marie nicht mehr, lange hat sie etwas nachgetrauert, dass nie existierte, jetzt ist es in Ordnung, wie es ist. Nur das tägliche Sommergewitter, dem hängt sie nach.
Viele hat sie seitdem gesehen, über dem Meer, über Landschaften. Aber es war nie so schön. Wenn der Wind an den Rebstöcken zerrt, die Marillenblüten durch die Luft fegt und sich die gestaute Hitze im gleisenden Zickzack ohrenbetäubend entlädt, während es um sie herum grollt. Das ist Leben und Wut, Befreiung. Immer stand sie fasziniert auf der Terrasse, während alle anderen drinnen waren, nach ihr riefen. Sie hat das Alleinsein genossen in diesen Momenten, Ruhe gespürt, während alles um sie herum tobte. Und danach Stille, Klarheit, frei atmen.
Die Anthologie des ist als Ergebnis des Schreibwettbewerbs „nur ein wort“ erschienen. Der Text „Wärme“ ist einer von 15 ausgewählten. Insgesamt wurden 392 Texte eingereicht.
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